AKADEMIE FÜR KULTUR- UND WISSENSCHAFTSWISSENSCHAFT

INSTITUT FÜR STUDIEN DER MUSIKKULTUR DES PORTUGIESISCHEN SPRACHRAUMES

ISMPS

neue diffusion
ein dokumentationsprojekt

MUSIK UND KOLONIALISMUS

POSTKOLONIALE PROBLEME

Prof. Dr. Antonio Alexandre Bispo

Universität Köln
Seminar – WS 2005/06



Außerplanmäßige Professur
gefördert als Stiftung für Musikologische Kulturanalyse/Kulturanalytische Musikologie
von der Akademie für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft/ISMPS


Im Anschluss an
das Kolloquium beim Istituto Euromediterraneo di Tempio Pausania 2005 und die Debatten zu Postkolonialismus, Immigration und Identität beim Kongress Eurobrasilianischer Studien in Gebieten deutscher Kolonisierung in Südbrasilien 2002

Als Vorbereitung zu einer
Studienreise nach Indien Rajasthan, u.a. Jaipur und Neu Delhi 2006


Gründung von Kolonien bestimmten die Geschichte der Menschheit seit ältesten Zeiten. Es braucht nur an die griechischen Kolonien im Mittelmeerraum – die Magna Grecia – gedacht zu werden, um die Bedeutung dieser Festsetzungen und ihre Folgen zu erfassen. Musik, Musikleben und Musikanschauungen spielten bei der Gründung von Kolonien stets eine wichtige Rolle. Musik ermöglicht die emotionale Verbindung zur alten Heimat und die Entstehung eines Zusammengehörigkeitsgefühls und eigener Identität kolonialer Gesellschaften. Es ist bezeichnend, dass der für die Musikanschauung so bedeutsame Zirkel der Pythagoräer sich in der griechischen Kolonialwelt im süditalischen Raum entwickelte.

Sarg. Museum Taormina. Foto A.A.Bispo

 In der Entdeckungszeit errichteten Portugiesen und Spanier Handelsstützpunkte und Festungen in Afrika, Asien und Amerika, unter deren Schutz sich Siedlungen und koloniale Prozesse entfalten konnten. Auch hier spielte die Musik – Militärmusik, Kirchenmusik, Musik für Repräsentationsakte und Volksfeste – eine bedeutende Rolle. Durch die Musikpraxis vor Ort und die Pflege eingeführter Spiele, Tänze, Aufzüge mit inszenierten Elementen wurden in verschiedenen Orten der Welt Prozesse entfacht, die das Kolonialleben über viele Jahrhunderte prägten.

Handelsgesellschaften der Niederländer und Engländer übernahmen von den Portugiesen und Spaniern über Jahrhunderte die weltweite Vormachtstellung und bestimmten die Kolonialgeschichte in vielen Regionen der Welt. Ebenfalls wurden von ihnen – wenn auch konfessionell anders geartete – Kirchenmusik, Militärmusik und Hausmusik eingeführt, die neben einheimischem Musikleben oder mit ihm interagierend die Musikgeschichte von kolonialen Zirkeln und Städten lange Zeit prägten und Entwicklungen anstießen, die – wie in Indonesien oder Südafrika – bis in die Gegenwart nachwirken. Wenn auch die Festsetzung von Franzosen in der Neuen Welt zunächst misslang, waren sie später unter anderen Umständen in verschiedenen Regionen erfolgreich, und dementsprechend prägten auch sie musikalisch ihre kolonialen Besitzungen. Auch durch sie entstand ein europäisch geprägtes Musikleben in Kolonialgebieten mit repräsentativen Opernhäusern – wie in Hanoi –, mit Militärkapellen, Salonmusik und Musikschulen. Gebiete wie Neukaledonien sind bis heute politisch eng mit Frankreich verbunden, was auch ihr Musikleben weitgehend bestimmt.

Opernhaus von Hanoi. Foto A.A.Bispo

Für die meist Länder Amerikas endete offiziell die Kolonialzeit mit der Unabhängigkeit im 19. Jahrhundert. Noch in der Gegenwart gehören Regionen Lateinamerikas zu europäischen Ländern, wie u.a. die französischen Departements Französische Guiana, Guadeloupe, Martinique und Saint Martin oder Sint Marteen, Aruba, Curação und andere karibische Inseln des niederländischen Königreichs. Mit der Kolonialvergangenheit vieler unabhängiger amerikanischer Länder verbinden sich Vorstellungen von einer Kunst der Kolonialzeit bzw. Kolonialmusik. Sie spielt eine maßgebliche Rolle in der historischen Musikforschung dieser lateinamerikanischen Länder und erregt zuweilen eine solche Aufmerksamkeit, dass andere Zeiten in der Musikgeschichte -– paradoxerweise auch solche nach der Unabhängigkeit – vernachlässigt werden.

Es kamen auch nach der politischer Unabhängikeit weiterhin europäische Einwanderer in mehrere Länder Südamerikas, die, z.T. von Großgrundbesitzern, Unternehmern und Anwerbungsfirmen oder gar den jeweiligen Regierungen gefördert, Gebiete erhielten, Kolonien bildeten und die ansässige Bevölkerung von ihren Territorien vertrieben oder gar ermordeten. Die Aus- und Einwanderungsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts ist eng mit der Geschichte der Kolonialisierung bis dahin unerschlossener Regionen sowie der Migrantenviertel in Großstädten verbunden. Auch in diesen Regionen, Siedlungen, Städten und Stadtvierteln wurden Musiktraditionen der alten Heimat gepflegt, entstanden angepasste Formen tradierter Musikpraktiken, Chöre, Musik- und Tanzgruppen sowie Musikschulen. An diese Geschichte wird vielerorts in Kolonialmuseen erinnert und das Koloniale wird in Tanz- und Musiktraditionen zelebriert und studiert. Nicht nur Europäer haben Kolonien in auswärtigen Gebieten gegründet, sondern auch u.a. Chinesen, Araber, Syrolibanesen und Inder. Die Geschichte kolonialer Prozesse ist vielfältig und verlangt, wie auch die Rolle der Musik in den jeweiligen Kontexten, nach Differenzierungen.

Museum Kolonialdorf Nova Petrópolis. Foto A.A.Bispo

Das 20. Jahrhundert ist in seinen späteren Jahrzehnten durch das Ende des British Empire und Entkolonialisierungen in vielen Regionen Asiens und Afrikas geprägt, die vielfach von verheerenden Kriegen, Umstürzen, Flucht und Auswanderung europäischer Bevölkerungsteile begleitet wurden. Das koloniale Kultur- und Musikleben brach vielerorts zusammen, Musikvereine wurden aufgelöst und neue Institutionen entstanden. Ein Schlüsselereignis dieser Geschichte des 20. Jahrhunderts ist die Unabhängigkeit Indiens, die mit der Löslosung von der britischen Herrschaft grundlegende Umwälzungen in Politik und Kultur mit sich brachte, was u.a. zur Entstehung von Pakistan führte. Britisch Musikinstitutionen – u.a. im Militärbereich – wurden abgebaut, Musikbeziehungen zu Zentren Großbritanniens geschwächt und indische Institutionen gestärkt, aber die aus britischer Zeit geprägte Musikentwicklung wirkte vielfach fort.

Indien ist die wichtigste Referenz für Studien von Kolonialismus und Postkolonialismus. Das Vermächtnis kolonialer Zeiten, ihre Folgen und die daraus resultierenden Probleme – das Bestreben nach Befreiung von kolonialen Bildungsmustern und nach Selbstständigkeit auch hinsichtlich von Musikleben, -schaffen und -erziehung – werden bei dieser anglophon geprägten Forschungsrichtung des Postcolonialism auch in anderen Kontexten thematisiert.  Die indische Annexion von Goa, Daman und Diu des ehemaligen portugiesischen Indien 1962 markierte den Beginn des Entkolonialisierungsprozesses portugiesischsprachiger Territorien, der durch die afrikanischen Kriege die Kulturdebatten nicht nur in Portugal, sondern auch in Ländern wie Angoia in den 1960er und 1970er Jahren bestimmte, die durch die Einwanderung von ausgewanderten europäischen Bewohnern dieser ehemaligen Regionen mit portugiesischer Kolonialgeschichte auch in Brasilien geführt wurden.

Karauli, Indien

Die Postcolonial Studies als Forschungsrichtung sind eng mit dem Namen der US-amerikanischer Literaturtheoretikers Edward William Said verbunden und wurden von dessen 1978 veröffentlichtem Buch „Orientalismus“ geprägt. Seine Überlegungen wurden u.a. in Publikationen von Homi K. Bhabha, Gayatri Chakravorty Spivak und John Esposito ausdifferenziert fortgeführt. Die Postcolonial Studies haben sich in mehreren Universitäten und Studienzentren, vor allem in anglophonen Ländern, etabliert.

Da der Forschungsbereich Postcolonial Studies maßgeblich von Fragestellungen, Deutungen und Theoriemodellen der englischsprachigen Welt geprägt ist, erfordert eine Anwendung von dessen Denkmodellen und Praktiken in nicht-anglophonen Kulturkontexten bzw. in Kontexten, die nicht auf eine britisch geprägte Vergangenheit zurückblicken, eine Berücksichtigung der jeweiligen kulturgeschichtlichen und sozialen Voraussetzungen sowie der gegenwärtigen Situation und der aktuellen Entwicklungen. Die postkoloniale Diskussion englischsprachiger Autoren liefert wichtige Denkanstöße, die sich bereits jetzt auf die kulturwissenschaftliche Arbeit anderer Kontexte auswirken. Dies bedeutet eine Rezeption, die von Analysen der Netzwerke des wissenschaftlichen Arbeitens und der Wissensproduktion begleitet werden sollte.

Die Übergabe von Hongkong an China 1996, der die Übergabe von Macau folgte, brachte am Ende des 20. Jahrhunderts ein verstärktes Interesse für Postcolonial Studies mit sich. Sie verlangen multilaterale – nicht nur britische, sondern auch portugiesische, italienische und naturgemäß chinesische – Perspektiven.

Karauli, Indien

Entwicklung der Studien

Die Kritik des Konstrukts Orient/Okzident von E.W. Said in seinem Buch „Orientalismus“ ruft allerdings die Notwendigkeit ins Bewusstsein, dass auch und vor allem die Teilung der Welt in Orient und Okzident als Einflusssphären Portugals und Spaniens zu Beginn der Neuzeit im Mittelpunkt der Überlegungen stehen sollte. Dabei fiel Portugal der Osten zu, was die Entfachung von Prozessen in Indien, Südostasien, der malaiischen Inselwelt und im Fernen Osten bedingte, in deren Rahmen die Entdeckung Brasiliens auf dem Weg zum Osten erfolgte. Die Diskussion der Problematik Kolonialismus und Postkolonialismus sollte somit primär aus der Perspektive portugiesischsprachiger, nicht anglophoner Positionierungen betrachtet werden.

Die Auseinandersetzung mit der Kolonialproblematik in den Musikstudien war im portugiesischen Raum durch die Befassung mit der Musik der Kolonialzeit Brasiliens als beherrschendes Thema der Forschung sowie mit der Musik von Kolonisierungsgebieten und Kolonien von Einwanderern in landwirtschaftlichen Gebieten und in den Großstädten im Rahmen der Bewegung zur Erneuerung der Kultur- und Musikstudien in São Paulo Mitte der 1960er Jahren entfacht worden. Sie wurde in lusobrasilianischen Kreisen von der Besetzung Goas und der Bewegungen und kriegerischen Ereignisse in Afrika geprägt. Eine Markstein in dieser Debatte war ein Vortrag des portugiesischen Komponisten Jorge Peixinho 1970 für das Zentrums für musikwissenschaftliche Studien der Gesellschaft Nova Difusão, das für eine Überprüfung von historischen Perspektiven und eine Überwindung nationalistischen Denkens in der Musikforschung in weltweiten Zusammenhängen plädierte. 1973 wurde eine Beobachtungs- und Studienreise nach Portugal für die Besprechung der Dekolonialisierungsprozesse vom Fachbereich Musikethnologie der Musikfakultät des Musikinstituts von São Paulo durchgeführt.

Die deutschen Kolonisierungen in Lateinamerika, die auf das 19. Jahrhundert zurückgehen, erfordern besondere Aufmerksamkeit hinsichtlich des Kolonial-Begriffs. In der allgemein verbreiteten Auffassung einer Geschichtsperiodisierung, die sich nach Daten der politischen Nationalgeschichte orientieren, bezeichnet die Kolonialzeit die Epoche, die der Unabhängigkeit des jeweiligen Landes vorausgeht. Diese Periodisierung führte in der allgemeinen kultur- und insbesondere musikgeschichtlichen Betrachtung zur Auffassung einer epochal definierten Kolonialmusik, ein Begriff, der in der Musikforschung und im Musikleben unreflektiert verwendet wird. Oft wurde und wird dieser Begriff der Kolonialmusik undifferenziert mit dem Barock in Verbindung gebracht. Bereits 1969, bei einem Festival des Barocks in der Musik, bei dem dieser Begriff in seinen grenzüberschreitenden Weiten betrachtet und in seiner undifferenzierten Verwobenheit mit dem der Musik der Kolonialzeit diskutiert wurde, wurde die Kategorisierung des Forschungsgegenstandes als Kolonialmusik kritisiert und für eine Auffassung des Kolonialismus als Prozess plädiert.

1973 wurde eine Beobachtungs- und Studienreise in im 19. Jahrhunderten kolonisierte Gebiete Südbrasiliens vom Fachbereich Musikethnologie der Musikfakiultät des Musikinstituts von São Paulo durchgeführt. Der Begriff des Kolonialen für die Kolonisierungen, die durch europäische Einwanderer meist nach der Unabhängigkeit lateinamerikanischer Länder stattfanden, war unter verschiedenen Aspekten problematisch. Diese Siedlungen und Regionen entstanden in nachkolonialer Zeit gemäß Periodisierungskriterien einer Nationalgeschichte, wurden jedoch als Kolonien in kultur- und sozialwissenschaftlichen Arbeiten und vor allem in volkskundlichen Studien bezeichnet. Der Begriff des Kolonialen prägte darüberhinaus das Selbstbewusstsein bzw. die Identität der Nachkommen der Einwanderer und wurde verschiedentlich auch bei der Pflege von Musik- und Tanztraditionen verwendet und geradezu zur Vermarktung kultiviert.

Probleme der Forschung des Themenkomplexes Postkolonialismus/Kulturidentität/Immigration und der anglophon geprägten postkolonialen Studien in der Kultur- und Musikwissenschaft sowie in der Musik- und Kunsterziehung Lateinamerikas wurden zu merhreren Anlässen in den 1980er und 1990er Jahren und schließlich 2002 im Rahmen des internationalen Kongresses „Musik, Projekte und Perspektiven“ aufgegriffen, der in den vor allem von deutschen Immigranten kolonisierten Gebieten von Rio Grande do Sul in Südbrasilien stattfand. An den Sitzungen an der Universität von São Leopoldo und in verschiedenen Institutionen in Gramado, São Leopoldo und Nova Petrópolis nahmen auch Studierende der Universitäten Bonn und Köln teil.

Beim Kongress wurden der Begriff Kolonialkultur und die Pflege tradierter bzw. rekonstruierter Musikpraktiken, Tänze und Trachten von eingewanderten Vorfahrer jetziger Bewohner der von der deutschen Migration im 19. Jahrhundert geprägten Region diskutiert. Die Aufwertung dieser Kolonialkultur erfährt in der Gegenwart eine Intensivierung durch Kulturinstitutionen, den Tourismus und die Medien. Diese Entwicklung ruft nach eingehenden Kulturanalysen, da abgesehen von mangelnder Präzision bzw. Inkompatibilitäten bei Verwendung des Kolonial-Begriffs Probleme erkennbar werden, die in verschiedener Hinsicht Integrationsprozesse von Gruppen betreffen. Bei diesen handelt es sich um Fragen der Identität, der Assimilation, der Permanenz, der erneuten Vergewisserung von Abstammung, der Ausdifferenzierung, der Konstruktion von Bildern u.a. Prozesse, die von politischer Bedeutung und Brisanz sind.

Durch die Anwendung kompatibler Theoriemodelle erscheint eine Entwicklung transdisziplinärer Methodik bei der Analyse von Prozessen, die mit dem Kolonial-Begriff zusammenhängen, nicht undenkbar. Der Gebrauch desselben Vokabulars in verschiedenen Wissenskulturen und Fachbereichen bedeutet jedoch nicht, dass dieselben Auffassungen vorliegen und aus denselben wissenschaftstheoretischen Vorbedingungen heraus argumentiert wird. Gerade in der interdisziplinären Diskussion, die durch die Orientierung an Begriffen wie Identität und Differenz ermöglicht wird, zeigt sich die Notwendigkeit der Beachtung von Konditionierungen in Netzwerken des Denkens, die wissenschaftssoziologisch zu untersuchen sind.


Vorangegangenes

2002. Postkolonialismus, Immigration, Identität. Internationaler Kongress Musik, Projekte und Perspektiven. Rio Grande do Sul, São Paulo, Rio de Janeiro

2002. Klassik in kolonialisierten Welten. Museum Diplomatischer Geschichte. Außenministerium Brasiliens. Rio de Janeiro

1999. Musikleben und -schaffen in deutschen Kolonien in Brasilien. Aula der Universität Köln. Internationaler Kongress Musik und Visionen. Deutsche Welle. Akademie für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft/ISMPS

1997-2000. Vorlesungsreihe Musik in der Begegnung der Kulturen. Universität Köln

1997. Kolloquien zur Musik Hongkongs und Macaus in postkolonialer Zeit. Macau und Hongkong

1992. Musikwissenschaftlicher Kongress zum 500-Jahr-Gedenken der Entdeckung Amerikas. Brasilianische Gesellschaft für Musikwissenschaft, Bundesuniversität von Rio de Janeiro. Rio de Janeiro

1989. Veröffentlichung von Studien zu Musikprozessen in der Entdeckungszeit und der Kolonialisierung: Grundlagen christlicher Musikkultur in der außereuropäischen Welt der Neuzeit: der Raum des früheren portugiesischen Patronatsrechts

1987. Music in the Life of Man. International Music Council/UNESCO. Regionaltreffen für Lateinamerika und Karibik. São Paulo

1985. Music in the Life of Man. International Music Council/UNESCO. Regionaltreffen für Lateinamerika und Karibik. Mexico-City

1983-1985. Debatte um Kolonialmusikgeschichte Lateinamerika/Europa. Internationales Symposium der Europäischen Gemeinschaften. Brüssel

1983. 300 Jahre deutsche Auswanderung in die USA. Deutsches Musikleben in St.Louis. Leichlinger Musikforum. US-Botschaft, Stadt Leichlingen

1981. Kirchenmusik in der Kolonialzeit. Internationales Symposium Kirchenmusik und Brasilianische Kultur. São Paulo

1973. Studienreise zu den Kolonisierungsgebieten Südbrasiliens. Fakultät für Musik des Musikinstituts São Paulo u.a.

1970. Debatte um die Entkolonialisierung portugiesischer Gebiet. Mit Jorge Peixinho. Casa de Portugal, Nova Difusão. São Paulo

1970. Kolonialmusik und Barock. Neue geschichtswissenschaftliche Ansätze. Zentrum für musikwissenschaftliche Forschungen/ND und Kulturamt São Paulos


Tagung Kolonialgeschichte, Nova Petrópolis 2002

Zum Seminar in Köln 2006

2006 wurde ein Hauptseminar zum Thema „Musik und Kolonialismus- Postkoloniale Probleme“ an der Universität Köln veranstaltet. Das Seminar fand im Rahmen der außerplanmäßigen Professur an der Universität Köln statt, die sich mit dem Schwerpunkt Musikologische Analyse von Kulturprozessen und Kulturanalytische Miusikforschung befasst und wurde von der Akademie für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft initiiert und getragen. Es sollte zu einer als notwendig erachteten konzeptionellen Erneuerung der Musikethnologie und der historischen Musikwissenschaft beitragen.

In diesem Seminar sollten die beim Kongress in den Gebieten deutscher Kolonisierungsgeschichte in Südbrasilien gewonnenen Erfahrungen sowie die Ergebnisse der vorgetragenen Studien und die im Gang befindlichen Arbeiten den Kölner Studenten, die am Kongress nicht teilgenommen hatten, vorgestellt werden. Die in einem Kolonisationsgebiet deutscher Auswanderer in Südamerika behandelten Probleme und angestellten Überlegungen sollten in Deutschland im Licht der theoretischen Diskussionen, die andere Kulturkontexte betreffen, diskutiert und so zum internationalen Gedankenaustausch und zur Entwicklung der Studien beitragen.

Die Überlegungen, die von den deutschen Kolonialgebieten Lateinamerikas ausgegangen sind, sollten ins Bewusstsein der Seminarteilnehmer bringen, dass Bestrebungen identifikatorischer Art, bei denen Musik und Tanz eine wichtige Rolle spielen, nach einer vorsichtigen Aufmerksamkeit bei der Verwendung des Identitäts-Begriffes in der Musikforschung rufen. Wenn auch positiv belegt, kann ein Identitätsdiskurs mit Auffassungen zusammenhängen, die mit als überholt geglaubten völkischen und nationalistischen Denktendenzen zusammenhängen. Auch eine Musikgeschichte, die sich bemüht, globale Zusammenhänge zu berücksichtigen, oder  eine Musikethnologie, die historische Kulturprozesse fokussiert, müssen auf die politischen Konsequenzen von Auffassungen eines – zunächst positiv konnotierten – Ethnopluralismus achten.

Durch die Auseinandersetzung mit den vielfältigen Betrachtungsweisen der Kolonialgeschichte und der Debatte über den Postkolonialismus sollte die deutschen Studierenden, ausgehend von der Diskussion in von deutschen Auswanderern geprägten Regionen Südamerikas, dazu angeregt werden, sich mit der Geschichte Deutschlands als Kolonialmacht in der Vergangenheit im Lichte der nachkolonialen Probleme in den ehemaligen Kolonien und Schutzgebieten, allen voran in Namibia, näher zu befassen. Das Seminar sollte auch der Planung einer Studienreise dienen, die 2006 nach Indien führte.

Grundlektüre des Seminar war Daniel Barenboim und Edward W. Said, Parallelen und Paradoxien über Musik und Gesellschaft (Parallels and Paradoxies: New York, 2002).

Hausmusik deutscher Kolonisten. Canela RS. Foto A.A.Bispo

Texte zur Einführung

Bachmann-Medick, D.. "Texte zwischen den Kulturen. Ein Ausflug in 'postkoloniale Landkarten'", in H. Böhme, K. R. Scherpe (Hg.). Literatur und Kulturwissenschaften: Positionen,m Theorien, Modelle. Reinbek 1996, 60-77

Bachmann-Medick, D.. "Postcolonial Turn". Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwiossenschaften. Reinbeck: Rowohlt 2006, 184-237

Bispo, A.A. „Musikwissenschaftliche Forschung, Kulturgeschichte und Didaktik identifikatorischer Formungsprozesse.“ Kongreßbericht (...). Köln: Akademie für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft, 2003, 55 ss.

-----------. „Postkoloniale Kulturstudien und Musikforschung, Fallbeispiel deutscher Immigration in Brasilien.“ ibidem, 57 ss.

-----------. „Immigrationsforschung in Musik- und Kulturwissenschaft“. ibidem, 84 ss.

Rolim Wolffenbüttel, C.. "Zu: Permanenz, Wandlung und Regenerierung deutscher Traditionen in Einwanderungsgebieten am Beispiel der Kultur- und Musikforschung des Neujahr-Schießens", ibidem 93-95

Yim Tan Lisa Wong. Hybrid & Poscolonial Music, 1997. Links: Poscolonial Studies at Emory. Online




Besprochene Literatur (Auswahl)

Appiah, Kwame Anthony. „Is the Post- in Postmodernism the Post- in Postcolonial?“ Critical Inquiry 17 (1991), 336-57

Ashcroft, Bill. Gareth Griffiths and Helen Tiffin. The Empire Writes Back: Theory and Practice in Post-Colonial Literatures. London 1989

Bhabha, Homi K. „Of Mimicry and Men: The Ambivalence of Colonial Discourse“ October 28 (1984), 1 25-33

Blacking, John. Music, Culture, & Experience: Selected Papers of Bruno Nettl. Chicago

Castro Varela, M. Do Mar/Dhawan, N. Postkoloniale Theorie. Eine kritische Einführung. Bielefeld 2005

Essed, P., Mullard, C.. Antirassistische Erziehung. Grundlagen und Überlegungen für eine antirassistische Erziehungstheorie. Hrsg. v. H. Essinger in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung e.V..Köln. Felsberg: Micro 1991 (Theorie Bd.2)

Finnström. Sverker. Postcoloniality and the Postcolony: Theories of the Global and the Local. Working Papers in Cultural Anthropology 7 (1997). Department of Cultural Anthropology and Ethnology. Uppsala University

Gilroy, Paul. The Black Atlantic: Modernity and Double Consciousness. Cambridge 1993

Hall, Stuart. „Cultural Identity and Diaspora“. Colonial Discourse and Post-Colonial Theory. Eds. P. Williams and L. Chrismann. New York 1993.

Hamann, Ch. (Hg.). Räume der Hybridität. Postkoloniale Konzepte in Theorie und Literatur. Hildesheim 2002

Kreutzer, E.. "Theoretische Grundlagen postkolonialer Literaturkritik". Nünning, A. (Hg.) Literaturwissenschaftliche Theorien,m Modelle und Methoden., Eine Einführung. Trier 1995: 199-213

Loomba, Ania (Hg.). Colonialism/Postcolonialism. New York 1998

Mongia, Padmini (Hg.). Contemporary Postcolonial Theory: A Reader. New York 1996

Riemenschneider, D. (Hg.). Postcolonial Theory. The Emergence of a Critical Discourse. A Selected and Annotated Bibliography. Tübingen 2004.

Said, Edward. Orientalism. Western Conceptions of the Orient (New York 1978). Repriunt mit Nachwort, London 1995

----------. The World, the Text, and the Critic. Cambridge, 1983 deutsch: Die Welt, der Text und der Kritiker, übers. B. Flickinger. Frankfurt a. M. 1993 .

Spivak, G.Ch. "Can the Suibaltern Speak?" (1988), in P. Williams/L.Chrisman (Hg.). Colonial Discourse and Post-Colonial Theory. New York 1996 (1993), 66-111

Young, R. J.C.. Colonial Desire. Hybridity in Theory, Culture and Race. London/New York 1995.

----------. Postcolonialism. An Historical Introduction. Oxford 2001




Grundlektüre zur Erarbeitung von Referaten

Daniel Barenboim und Edward W. Said, Parallelen und Paradoxien über Musik und Gesellschaf. Ara Guzelimian, A. (Hg.. Übers. Englischen von B.Wolf. Berlin: Berlin Verlag 2004 (1. Aufl. New York 2002) (Parallels and Paradoxies: New York: Pantheon 2002)


Referate

07.11. Nationale Identitäten und Interpretationen

14.11. Partitur und literarischer Text

21.11. Kunst, Politik und Institutionen. Lehrer und Vorbilder

28.11. Wagner und Nationalsozialismus

05.12. Authentizität. Interpretationen von Texten und Musik

12.12. Soziale Bindung der Musik




Herausragende Seminararbeiten

Suzanne-Blanche Boldt. Musikforschung und Kolonialprozesse - Erste Quellen und Deutungsprobleme

Sabrina Metwaly. Exotismus und Kolonialismus am Beispiel ägyptischer Musikkultur. Die Musikkultur der Moderne in Ägypten und transkulturelle Entwicklungen am Beispiel Mohamed Mounirs