AKADEMIE FÜR KULTUR- UND WISSENSCHAFTSWISSENSCHAFT

INSTITUT FÜR STUDIEN DER MUSIKKULTUR DES PORTUGIESISCHEN SPRACHRAUMES

ISMPS

neue diffusion
ein dokumentationsprojekt

MUSIK IM LUSOPHONEN AFRIKA

Prof. Dr. Antonio Alexandre Bispo

Universität Köln
  Vorlesung – WS 2005/06



Außerplanmäßige Professur
gefördert als Stiftung für Musikologische Kulturanalyse/Kulturanalytische Musikologie
von der Akademie für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft/ISMPS


Cesária Évora (1941-2011): 60 Jahre

Im Anschluss an
Internationales Kolloquium Interkultureller Studien, São Paulo und Rio de Janeiro 2004
Im Rahmen des Projekts zur Erforschung der Musikkultur von São Tomé und Príncipe
mit Unterstützung der Regierung von São Tomé und Príncipe

Vorbereitungen auf Kolloquien in Cabo Verde zur Gründung der Universidade Lusófona de Cabo Verde (2007)


Für die Länder portugiesischer Sprache Afrikas – Cabo Verde, Angola, Moçambique, Guinea Bissau, São Tomé und Príncipe – gehört die Musik zu den wichtigsten ihrer Kulturgüter. Es gibt kaum eine bessere Annäherung an die lusophonen Länder Afrikas als durch die Musik, sie stellt auch den effektivsten Weg zur Völkerverständigung und internationalen Kooperation dar. Durch sie richtete sich seit den 1980er Jahren die internationale Aufmerksamkeit auf das lusophone Africa, und dies durch Cesária Évora (Cize) aus Mindelo auf den Kapverden und mit ihr auf die Morna. 1988 erschien ihr Album La Dive Aux Pieds Nus, 1991 Mar Azul, 1992 Miss Perfomado mit dem Lied Sodade, das weltweite Verbreitung fand und gar emblematisch für die lusophone Musik Afrikas wurde. 1995 wurde das Album Cesária veröffentlicht, 1997 Cabo Verde, 1999 Café Atlantico, 2001 São Vicente di Longe und 2003 Voz d’amor. Die internationale Karriere von Cesária Évora setzte mit der Einladung ein, die sie 1985 von Bana erhielt, ein in Lissabon lebender kapverdianischer Musiker. Daraus wird die Bedeutung der Musik im Leben der Migranten aus den portugiesischsprachigen Ländern Afrikas in Europa, vor allem in Lissabon und Paris, offensichtlich.

Durch die Musik bleiben auch die Migranten mit ihren Heimatländern in anderen Ländern Afrikas, in Amerika oder Europa mental und emotional verbunden. Für diese Gemeinden von Auswanderern und ihre Nachkommen, selbst wenn diese portugiesisch nicht mehr sprechen, ist die Musik für ihr Bewusstsein und Gefühl von Zugehörigkeit wesentlich. Sowohl in ihren Ländern als auch in der Ferne ist die Musik identitätsstiftend, -bewahrend und -erneuernd. Sie wird allerdings nicht nur aus Tradition gepflegt, sondern in Afrika und in der Fremde wird mit ihr schöpferisch umgegangen. Die Musik des lusophonen Afrika ist auch und gerade durch seine Migrantengemeinden von außerordentlicher Vielfalt und kreativer Dynamik. Europäische und nordamerikanische Städte mit besonders starker Immigration haben Stadtviertel, die zu Zentren vitalen Musiklebens, der Musikproduktion und auch der Kulturreflexion geworden sind. Von dort stammen nicht nur Musiker und Gruppen, die internationalen Ruf im Bereich der World music erlangten, sondern auch wichtige Anregungen für die Debatte über Kultur- und Musikfragen.

Eine eingehende Beschäftigung mit der Musik des lusophonen Afrika ist ein Gebot für eine Kulturwissenschaft, die globale Zusammenhänge beachtet. Ihr ist aber nur von einer Musikforschung adäquat zu begegnen, die sich auf Prozesse richtet. Denn die Musik dieser Länder beschränkt sich nicht auf nationale und kontinentale Grenzen, weder in Afrika noch im Ausland. Sie ist verwoben in ein komplexes Netz von Beziehungen und in interagierenden Prozessen, die alle Kontinente erfassen. Diese sind entstanden aus der Einwirkung der Portugiesen auf Zustände und Entwicklungen in Afrika seit dem ausgehenden Mittelalter, die auch die ersten Afrikaner vom südäquatorialen Westafrika nach Portugal brachten. Von Anfang an erklang Musik auf beiden Seiten bei den Begegnungen; europäische Musik wurde in den errichteten Kirchen und entstandenen Siedlungen praktziert und von Missionaren unterrichtet, einheimische Musikpraktiken und Instrumente wurden in europäische Bräuche des Festkalenders integriert und in ihrem Sinn und ihrer Funktion verändert. Diese komplexen Prozesse mit ihren Durchkreuzungen müssen kontextgerecht und vom Ablauf ihrer zeitlichen Entwicklung her eingehend betrachtet werden. Anachronistische Projektionen von Ansichten und Ansätzen von Gegenwärtigem auf die ferne Vergangenheit, die die Studien so sehr belasten, müssen vermieden werden. Dennoch kann die empirische Forschung tradierter Instrumente sowie von Spielen und Praktiken des Festkalenders, die in den einzelnen Regionen – auch im entfernten Brasilien – weiterleben, wichtige Anhaltspunkten liefern zum Studium nicht nur des durch die Portugiesen übertragenen Systems des Welt- und Menschenbildes und seiner Zeichensprache, sondern auch der intrinsischen Mechanismen, die die kulturverändernden Integrationen lokaler Traditionen erst möglich machten und die Prozessen in Gang setzten.

Museu Mindelo, Cabo Verde

Besonders in diesem Geflecht, das von Wechselseitigkeiten und Dynamik bestimmt ist, kommt Brasilien eine besondere Bedeutung zu. Brasilien lässt sich ohne diese transatlantischen Beziehungen nicht adäquat betrachten und brasilianische Musik ist in den lusophonen Ländern Afrikas stets präsent. Spiele und Tänze des Festkalenders, die in Brasilien lebendig sind, werden auch in Museen und Kulturzentren afrikanischer Länder studiert. Dementsprechend sind seit Jahrzehnten die Entwicklungen der empirischen Kulturforschung im lusophonen Afrika und in Brasilien eng miteinander verflochten. Publikationen brasilianischer Kulturdenker, Musikforscher und Volkskundler trugen maßgeblich zur Entwicklung der Studien und der Forschung in Ländern wie den Kapverden bei, und Forscher aus lusophonen Ländern Afrikas - wie Baltasar Lopes da Silva (1907-1989) standen in Kontakt zu brasilianischen Volkskundlern und Sozial- bwz. Kulturanthropologen. Seit den Arbeiten von Gilberto Freyre (1900-1987) gehörten diese Länder zum Gegenstand von Studien an Universitäten und Forschungszentren wie dem Museu de Artes e Técnicas Populares von São Paulo.

Wandmalerei S. Vicente, Cabo Verde. Foto A.A.Bispo

Volkstraditionen der lusophonen Länder Afrikas wurden Gegenstand der Aufmerksamkeit in der Bewegung zur Erneuerung der Kultur- und Musikstudien, die in Brasilien Mitte der 1960er Jahren entstand und 1968 zur Gründung des Zentrums für musikwissenschaftliche Studien in São Paulo führte. In einer Zeit von Bestrebungen und Kämpfen für die Unabhängigkeit und Dekolonisierung wurde nach dem Plädoyer des portugiesischen Komponisten Jorge Peixinho (1940-1995) eine Änderung von Paradigmen einer Musikbetrachtung der damals portugiesischen überseeischen Gebiete angestrebt. Sie waren bis dahin von nationalistischen Sichtweisen geprägt und dienten dem autoritären Regime Portugals. Die Auswanderung von Portugiesen aus den sich in den Unabhängigkeitskriegen befindenden Ländern Afrikas nach Brasilien bezeugte die Umwelzungen, die vor allem in Angola auch hinsichtlich der Musik und ihrer Institutionen in Gang war. Eine vom Fachbereich Musikethnologie der Fakultät für Musik- und Kunsterziehung des Musikinstituts São Paulo 1973 veranstaltete Studienreise nach Portugal hatte u.a. das Ziel, die Auswirkungen der kriegerischen Verhältnisse in Afrika auf die Entwicklung des Denkens portugiesischer Gelehrter und Institutionen zu beobachten und mit ihnen Gedanken über die nachkoloniale Zukunft auszutauschen. Mehrere Studien über solche tradierte Spiele und Tänze Brasiliens, die Beziehungen zu vergleichbaren Traditionen des lusophonen Afrikas aufweisen, wurden u.a. im Nordosten Brasiliens 1971 durchgeführt. Die synkretistischen Kultformen wurden vergleichend mit denen in lusophonen Ländern Afrikas betrachtet.

Wandmalerei, São Vicente, Cabo Verde. Foto A.A.Bispo

Auf internationaler Ebene wurden die Musik der portugiesischsprachigen Länder Afrikas in der Arbeitsgruppe Portugal-Brasil berücksichtigt, die an der Universität Köln im Rahmen des Programms zu neuen Ansätzen in Kultur- und Musikforschung 1975 gebildet wurde. Köln kann auf eine lange Tradition der Lehre und Forschung luso-brasilianischer Studien zurückblicken, die auch die lusophonen Länder Afrikas einbezog. Durch die portugiesische Musikwissenschaftlerin Maria Augusta Alves Barbosa wurden Beziehungen zu Arthur Santos angeknüpft und seine Forschungen zur Musik Angolas eingehend studiert. Vor allem aber wurden brasilianische Spiele und Praktiken des Festkalenders, die auf Afrika verweisen, Gegenstand der Überlegungen. Zu diesen gehören u.a. die Reiterkämpfe, die auf die Reconquista bzw. Karl den Großen verweisen, mit ihren verschiedenen Versionen in São Tomé und Príncipe. Die Zeichensprache dieser Bräuche, die in Brasilien untersucht wurde, wurde unter Berücksichtigung nicht-brasilianischer Literatur unter neuen Aspekten betrachtet. Diese Arbeiten ließen die Notwendigkeit erkennen, eine umfassende Erhebung der Quellen zu den Kulturprozessen, die die Portugiesen in Afrika hervorriefen, vorzunehmen. Dieses Anliegen erforderte den Besuch von Archiven und Bibliotheken, u.a. des Instituts Überseeischer Studien in Lissbaon und der Missionskongregation in Rom. Im Rahmen der Arbeit der musikethnologischen Sektion des Instituts für hymnologische und musikethnologische Studien der Päpstlichen Organisation für Kirchenmusik wurden Kontakte zu Forschern und Institutionen lusophoner Länder Afrikas geknüpft, u.a. zu Fr. Luis Cojimbe, Angola, und dem Seminar von Cabo Verde mit seinen Hochschulkursen.

1985 – im „Europäischen Jahr der Musik“ – wurde das Institut für Studien der Musikkultur des portugiesischen Sprachraumes (ISMPS) gegründet, das seitdem das Studium der Musik lusophoner Länder unter Berücksichtigung theoretischer Ansätze für eine Neuorientierung der Kulturwissenschaft fortsetzt. Diese Arbeit wurde in Dialogen mit Musikern aus diesen Ländern geführt, die in europäischen Städten lebten. 1989 fand die erste Tagung zur Erforschung der Musik lusophoner Migranten in Europa statt, die von der Stadt Köln und dem Institut für Studien der Musikkultur des Portugiesischen Sprachraumes veranstaltet wurde. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit standen Studien zu Instrumenten wie Gitarre, Cavaco und Bandolim, sowie zum Choro. Darüberhinaus wurde die Musikpraxis bei Migranten aus dem lusophonen Afrika in Ländern wie Venezuela, den Vereinigten Staaten und durch die Beziehung des Musikforschers Armindo Borges zu Kanada berücksichtigt. Der Fall der Berliner Mauer erleichterte den Austausch mit Musikern aus den sozialistischen Ländern Afrikas, die in der ehemaligen DDR lebten. Studien u.a. zu Angola konnten dadurch intensiviert und aktualisiert werden, was vor allem dem Einsatz des Geographen Manfred Kuder zu verdanken ist, der 1984 die Deutsche Gesellschaft für die Afrikanischen Staaten Portugiesischer Sprache (DASP) gründete.

Wandmalerei, São Vicente,, Cabo Verde. Foto A.A.Bispo

Von außerordentlicher Bedeutung für die Entwicklung der Studien in den 1990er Jahren waren die Gespräche mit dem Musiker und Kulturtheoretiker Nelson Barbosa aus São Tomé und Príncipe, der zeitweilig in Lissabon und Köln lebte. Durch seine Musikproduktion und Projekte trug er maßgeblich zur Entwicklung des kulturwissenschaftlichen Ansatzes bei der Erforschung der Musik lusophoner Länder Afrikas bei. Mit der Gesellschaft für Urbane Ökologie, die unter seiner leitenden Mitwirkung stand, und u.a. mit seiner CD-Produktion „Alle verschieden/Alle gleich“ richtete er die Aufmerksamkeit auf die Rolle der Musik in der anti-diskriminatorischen und anti-rassistischen Bewegung. Diese Initiative zeugte von der Aktualität der Kulturreflexion von Musikern aus portugiesisch sprechenden Ländern Afrikas in der Immigration, die Neuorientierungen des Denkens und Schaffens suchten und sich mit Reisen auch im übertragenen Sinn, mit Translokationen, Übersetzungen und Grenzüberschreitungen in all ihren Aspekten, auch solchen von Theorie und Praxis, beschäftigten.

Das Interesse für die Musikforschung lusophoner Länder wurde in Portugal und in den afrikanischen Ländern selbst unterstützt durch die 1996 erfolgte Gründung der Comunidade de Povos de Língua Portuguesa (CPLP) als Forum für die Vertiefung gegenseitiger Freundschaft und für reziproke Kooperation zwischen Angola, Brasilien, Kapverden, Guinea-Bissau, Äquatorial-Guinea, Mozambik, Portugal, São Tomé und Príncipe sowie Ost-Timor.

Von 1997 bis 2000 wurde Musik der lusophonen Länder Afrikas Gegenstand der Aufmerksamkeit im Rahmen der Vorlesungsreihe Musik in der Begegnung der Kulturen an der Universität Köln, die Musik in Kulturprozessen in globalen Zusammenhängen von der Entdeckungszeit bis zur Gegenwart behandelte. An Traditionen dieser Länder wie den Tchiloli aus São Tomé wurde beim Internationalen Kongress „Musik und Visionen“ sowie beim IV. Internationalen Symposium „Kirchenmusik und Brasilianische Kultur“ 1999 zum 500-Jahr-Gedenken der Entdeckung Brasiliens erinnert.

Wandmalerei, São Vicente, Cabo Verde. Foto A.A.Bispo

Vorangegangenes

2003. World Music. Seminar an der Universität Bonn

1999. Musik und Visionen. Internationaler Kongress in der Deutschen Welle. Akademie für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft/ISMPS

1999. Zeichensprache in Festtraditionen des Jahreskreises von S. Tomé und Brasilien. IV. Internationales Symposium Kirchenmusik und Brasilianische Kultur. Maria Laach

1998. Gespräche über das Projekt „Urbane Ökologie“ von Nelson Barbosa, S. Tomé und Príncipe. Akademie für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft/ISMPS. Köln

1989. Afrika und Brasilien. Christliche Traditionen und Synkretismus. Internationales Symposion. Bonn

1989. Angola-Forschung nach dem Mauerfall. Zusammenarbeit mit Manfred Kuder, Deutsche Gesellschaft Afrikanischer Staaten Portugiesischer Sprache DASP. Bonn

1985. Gründung des Instituts für Studien der Musikkultur des portugiesischen Sprachraumes

1985. Kooperation mit dem PALOP – S.Tomé und Principe, Kapverden, Angola, Guinea-Bissau, Moçambique sowie mit Migrantenzirkeln Lissabons. Europäisches Jahr der Musik, ISMPS

1975. Forschungen Arthur Santos zu Angola. Portugal-Brasil Studiengruppe mit M.A. Alves Barbosa. Programm für Erneuerung der Kultur- und Musikstudien. Universität Köln

1971. Musik- und Tanztraditionen des Nordostens Brasiliens und Afrikas. Bundesuniversität Alagoas. Maceió

1970. Zu der Bezeichnung Angola in den Capoeira-Studien. Museu de Artes e Técnicas Populares. São Paulo

Cesária Évora

Zur Vorlesung

Im Wintersemester 2005/06 wurde die Vorlesung gehalten, die sich der Musik der lusophonen Länder Afrikas widmete. Sie fand im Rahmen einer außerplanmäßigen Professur an der Universität Köln statt, die sich mit dem Schwerpunkt Musik in der Analyse von Kulturprozessen befasst, und wurde von der Akademie für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft/ISMPS initiiert und getragen. Es sollte einen Beitrag des ISMPS zu einer thematischen und kulturtheoretischen Erneuerung der Musikethnologie am Musikwissenschaftlichen Institut leisten. Gleichzeitig förderte die Akademie für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft ein Projekt zur Untersuchung des Tchiloli von São Tomé unter Anwendung kuturwissenschaftlicher Ansätze. Die Vorlesung sollte Kolloquien vorbereiten, die die Entwicklung der Hochschulstudien auf den Kapverden durch die Gründung von Universitäten begleiten.

Bei der Vorlesung in Köln sollten die Studierenden einen Überblick gewinnen über den Stand des Wissens über die Musik in all ihren Aspekten der Länder portugiesischer Sprache Afrikas und der lusoafrikanischen Gemeinden in anderen Ländern Afrikas, Europas, des spanischsprechenden Amerika sowie der Vereinigten Staaten, über ihre Erforschung, die laufenden Projekte sowie die aktuelle Situation und Entwicklung von Musikleben, Musikerziehung und Musikstudien in den jeweiligen Ländern und Migrantenkreisen.

Das Interesse war grundsätzlich theoretischer Natur. Die Hauptaufmerksamkeit galt Leitgedanken, Orientierungen und Positionierungen, Tendenzen des Denkens und Schaffens, identifikatorischen Vorstellungen, der Musik im Eigenbild und in Landesrepräsentationen im Ausland sowie der Kulturreflexion in ihren Beziehungen zur Lebenswirklichkeit, zum Alltag und zur Immigration. Brüche, Grenzen und Grenzüberschreitungen hinsichtlich verschiedener Wissensbereiche und ihre Transformationen bzw. Wendungen in Denken und Praxis standen im Mittelpunkt der Betrachtungen. Die Vorlesung sollte zu internationalen Dialogen beitragen durch Begegnungen und Interaktionen zwischen denjenigen, die sich gedanklich und kreativ mit sozialen und kulturellen Fragen in den jeweiligen Kontexten auseinandersetzen, und jenen, die bemüht sind, neue Perspektiven und Wege für die Musikwissenschaft zu eröffnen, indem sie sich nach theoretischen Ansätzen der Kulturwissenschaften orientieren.

Eines von den vielen Problemen, mit denen sich u.a. die Inseln der Kapverden konfrontiert sehen, betrifft die Situation der Frauen, die von ihren ausgewanderten Männern allein gelassen werden, was auch in Liedern thematisiert wird. Diese Stimmen sollten u.a. bei der Auseinandersetzung mit der Diskontinuität zwischen der traditionsgebundenen Morna und den rezenten Trends der Popularmusik und der Weltmusik bei der Vorlesung gehört werden. Sie suchte stellvertretend die Positionierung und Perspektiven der Kapverdianer der neuen Generation einzunehmen und die Paradoxien in den Überlegungen und Ansichten der Musiker über die Spannung Tradition/Moderne aus ihrer Lebensrealität voller existientieller Nöten zu verstehen. Das Anliegen, die Position der Protagonisten einzunehmen, erfolgte im Horizont der theoretischen Ansätze der Cultural Studies und der Genderforschung.  Eine besondere Berücksichtung sollte die Musik im Leben der Hafenarbeiter und Seeleuten gelten, die sich in prekären Arbeitssituationen befinden und aus ihren schwierigen Lebensbedingungen heraus sich mit diesen Verhältnissen musikalisch auseinandersetzen.

Bei dieser Vorlesung wurden Studien besprochen, die in Ländern Afrikas und in Brasilien durchgeführt wurden. Die Vorlesung sollte eine neue Phase internationaler Zusammenarbeit einleiten. Diese führte 2013 zu Besprechungen im Kultursekretariat der Kapverden, an der Universidade Lusófona de Cabo Verde in Praia sowie an den Universität Jean Piaget und an der Alliance Française von Mindelo.




Cabo Verde. Foto A.A.Bispo