Der kulturwissenschaftliche Ansatz in der Musikwissenschaft
Prof. Dr. Antonio Alexandre Bispo
Universität Köln Seminar – SS 2005
Außerplanmäßige Professur gefördert als Stiftung für Musikologische Kulturanalyse/Kulturanalytische Musikologie von der Akademie für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft/ISMPS
35 Jahre: Musikkulturforschung des Alltags. Museu de Artes e Técnicas Populares. Zentrum für musikwissenschaftliche Forschungen der Gesellschaft Nova Difusão (1968). Universität São Paulo (1970) 30 Jahre: Musik in Kulturprozessen. Programm sozial-kulturwissenschaftlich orientierter Forschung in multilateraler Kooperationen. DAAD (1975)
Im Anschluss an das Oberseminar „Cultural Studies“, Universität Bonn, 2003/04
Gedanken über den kulturwissenschaftlichen Ansatz in der Musikwissenschaft erfordern klärende Vorüberlegungen. Zunächst mögen sie tautologisch erscheinen, da Musikwissenschaft als gleichsam selbstverständlich den Kulturwissenschaften zugerechnet wird. Zu den Kulturwissenschaften werden oft in unbestimmter Weise die Wissens- und Forschungsbereiche gezählt, die je nach geltenden Traditionsströmung des Denkens und der Wissenschaftseinteilung als Geistes-, Human- oder Sozialwissenschaften – sciences humaines et sociales, ciências humanas u.a. – bezeichnet werden. Nach diesem allgemeinen Verständnis gehören zu ihnen sowohl historisch orientierte Studienbereiche wie die Kultur- und die Kunstgeschichte als auch eher empirische wie die Volks- und Völkerkunde/Ethnologie, aber auch systematische Forschungsgebiete. In diesem Sinne gehört die Musikwissenschaft – sei es Musikgeschichte, Musikethnologie oder systematische Musikwissenschaft – seit je zu den Kulturwissenschaften.
Dieser unbestimmte Gebrauch des Wortes führt dazu, dass in vielen Ländern alteingesessene Fakultäten und Instituten der Aktualität wegen einfach unbenannt werden, ohne dass sich an ihrer theoretischen Ausrichtung etwas ändert. In vielen Fällen wird der Begriff zu einem Ersatz für die herkömmliche Geisteswissenschaft und Forschungsbereiche und -richtungen der „sciences humanies et sociales“. Dadurch kommt es zu nicht immer adäquaten Unbennenungen, sodass das gesamte Panorama der den Begriff verwendenden Fakultäten, Hochschulen und Forschungszentren komplex und inkohärent ist. Kunsthistoriker, Musikologen, Musikkritiker, Soziologen, Kulturanthropologen, Literaturwissenschaftler, Jornalisten u.a. nennen sich vielfach zunehmend Kulturwissenschaftler. Das Risiko von Verlust von Differenzierungen, Verflachungen, Dilletantismus ist gegeben. Zu Mode geworden, führt der Gebrauch des Begriffes zu bedenklichen Entwicklungen. Es gibt Musikethnologen, die sich als Vertreter einer „cultural musicology“ oder der „cultural studies“ bezeichnen, die nur rudimentäre Kenntnisse der Musik ihres eigenen Kontextes kennen, die kaum Noten lesen können, keine Gehörbildung erfahren und keine ernstzunehmende Vokal- und Instrumentalausbildung genossen haben.
Von dem gewöhnlichen Verständnis des Begriffs zu differenzieren ist eine Kulturwissenschaft, die schon vor Jahrzehnten eine besondere Entwicklung der inter- und transdisziplinären Reflexion von Studien und Untersuchungen mit neuen Schwerpunkten des Forschungsinteresses und der theoretischen Konzepte einleitete. Keinesfalls bedeutet jedoch ein Verständnis des Begriffs von Kulturwissenschaft im Singular, das sie keine Pluralität von Ansätzen aufweist. Die Entwicklung des theoretischen Denkens ist gekennzeichnet durch verschiedene Positionierungen und Fokussierungen, die Wenden („turns“) bewirken, die aber auch parallel weiterbestehen und interagieren. Dadurch impliziert das Studium des kulturwissenschaftlichen Ansatzes in dieser Linie des theoretischen Denkens auch eine Vielfalt von thematischen Gewichtungen und Annährungsweisen.
Die Unbestimmtheiten, die sich durch Verständnisse und Verwendungen des Begriffes im gewöhnlichen oder im speziellen Sinn ergeben, verleiteten auch in der Musikwissenschaft dazu, dass vielfach unadäquat von kulturwissenschftlich orientierten Forschungen gesprochen wird. Es kann in vielen Fällen eine kulturwissenschaftliche Ausrichtung bei Studien angenommen wird, die lediglich eine Verlagerung der Aufmerksamkeit auf die allgemeine Kulturgeschichte und auf den Kulturkontext aufweisen. Hier besteht die Gefahr, dass bei ungenügendem Verständnis von Interdisziplinarität die Musikforschung auf eine längst als überholt geglaubte Phase ihrer Geschichte als Wissenschaft zurückgeworfen wird. Musikethnologen sind aus Gründen des Prestigs oder des fachpolitischen Bestrebens offenbar besonders gefährdet, sich den Begriff ohne qualifizierte Berechtigungen anzueignen.
Die Verwendung der Bezeichnung und die Annäherungen an die Problematik der Kulturwissenschaft/en setzt eingehende Auseinandersetzungen mit dem Kultur-Begriff voraus. Dieser kann nicht unreflektiert im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs als selbstverständlich angenommen werden; er sollte nicht einfach vorausgesetzt, postuliert oder apodiktisch verwendet werden. Auch wenn sich ein Verständnis des Begriffs allgemein durchgesetzt hat, hat er terminologisch Sinngehalte, die über Jahrhunderte Auffassungen geprägt haben. Diese dürfen nicht anachronistisch von einem Kulturverständnis, das sich a posteriori durchgesetzt hat, unreflektiert untersucht werden. In dem Gebrauch des Kulturbegriffs liegt die Problematik sowohl der allgemeinen Verwendung der Bezeichnung Kulturwissenschaft als inadäquater Ersatz für Geisteswissenschaften oder Ciencias Humanas als auch eines theoretischen Ansatzes in der Forschung. Das Risiko von unreflektierter Kategorisierung des Gegenstandes der Betrachtung sowie essentialistischer Auffassungen ist hoch.
Die Kulturwissenschaft/en mit ihren verschiedenen Fokussierungen, Ansätzen und „turns“ – literalen, interpretativen, raumbezogenen, semiotischen/visuellen/ikonischen, synästhetischen, performativen, postkolonialen u.a. - verlangen mehr als andere Forschungsbereiche, dass die Denk- und Sichtweisen der Theoretiker und Forscher sowie deren Kontexte, Voraussetzungen, Produktion, Wirkungen und Netzwerke berücksichtigt werden. Sie verlangen danach, wissenschaftssoziologisch oder umfassender wissenschaftswissenschaft begleitet zu werden. Beide – Kultur- und Wissenschaftswissenschaft – interagieren. Ein bestimmter Forschungsstrang kann nicht den Anspruch erheben, allein die Kulturwissenschaft in ihrem Werdegang zu vertreten, auch wenn von ihm wichtige Impulse ausgegangen sind, da er selbst einem bestimmten sozialen, politischen, epochalen und räumlichen Kontext angehört, der seine Fragestellungen, Perspektiven und Vorgehensweisen bestimmt. So darf Kulturwissenschaft nicht mit den britischen Cultural Studies trotz deren Bedeutung einfach gleichgesetzt werden. Letztere gehören zu einem bestimmten Kontext in seinen zeitlich/räumlichen Bedingtheiten und müssen selbst kultur- und wissenschaftswissenschaftlich nach ihrer Rezeption und ihren Netzwerken analysiert werden. Der Begriff „Cultural Studies“ bedient sich einer Bezeichnung, die allgemein in vielen anderen Kontexten und sprachlichen Räumen – estudios culturales, estudos sócio-culturais – seit Jahrzehnten weit verbreitet war. Der Begriff war hier oft wegen seiner Undifferenziertheit als zu allgemein, zu unpräzise sogar Gegenstand kritischer Überlegungen von Volkskundlern und Sozial-/Kulturanthropologen.
Zur Entwicklung der Studien
Die Studien, die im Rahmen der Akademie für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft geführt werden, gehen von einer Denkströmung aus, die sich nicht primär anglophonen Kontexten anschließt, sondern auf eine Entwicklung, die in São Paulo in den 1960er Jahren eingsetzt hat. Von hier aus werden auch Entwicklungen berücksichtigt, die aus anderen Kontexten, Strömungen des Denkens und Netzwerken entstammen.
Unter den Kulturtheoretikern, die maßgeblich zur Erneuerung theoretischer Ansätzen in Kultur- und Musikstudien in den 1960er Jahren in São Paulo beitrugen, hob sich der Dichter, Literaturforscher, Kritiker, Publizist, Design-Theoretiker, Kommunikations- und Medienforscher Décio Pignatari (1927-2012) hervor. Mit seiner Zeitschrift und vor allem mit seiner Theorie der konkreten Poesie brachte er auch die Musik in die primär linguistisch geprägten, transdisziplinären Studien hinein. In Zusammenarbeit u.a. mit Augusto de Campos (*1931) und Haroldo de Campos (1929-2003) übte er Einfluss auf Denk- und Sichtweisen junger Musiker, die sich um neue Orientierungen in Lehre und Forschung bemühten, sowie auf Komponisten aus. Der Komponist Gilberto Mendes (1922-2016) gehörte zu denjenigen, die eng mit dem 1968 gegründeten Zentrum für muskwissenschaftliche Studien der Gesellschaft Nova Difusão zusammenarbeiteten. Diese Theoretiker beeinflussten die Bewegung, die für die Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf Prozesse plädierte. Angestrebt war nicht nur eine inter- und transdisziplinäre Vorgehensweise, sondern allgemein eine Grenzüberschreitung von Trennungslinien zwischen Sphären unter verschiedenen Aspekten, auch von etablierten Strukturen, Konventionen und Normen, d.h. eine Überwindung von „Denken in Schubladen“.
Zu dem von der Literaturwissenschaft ausgehenden Ansatz gesellte sich von Anfang an in grundlegender Weise die Fokussierung auf das Visuelle, auf das Bildhafte, auf Zeichen und Symbole, auf die Lektüre von Texten und der wahrnehmbaren Realität gleichsam als Text. Diese Orientierung wurde durch die Zusammenarbeit mit dem Museum Zeitgenössischer Kunst unter Walter Zanini (1925-2013) sowie mit dem Fachbereich Visuelle Kommunikation u.a. mit Renina Katz (*1925) an der Fakultät für Architektur der Universität São Paulo fortgeführt. Die Studien von Werbung und Propaganda in der von Massenmedien geprägten Konsumgesellschaft wurden zu einem wichtigen Gegenstand von Überlegungen. Sie erlangten auch und vor allem für das Popularmusikschaffen Bedeutung, was sich auf Denk- und Wirkweise von Musikkulturtheoretiker wie Diogo Pacheco, Damiano Cozzella und vor allem Rogerio Duprat (1932-2006) auswirkte. Sie richteten der Blick vor allem auf die Konstruierbarkeit von Bildern, von Stars in der Konsumwelt, was in zahlreichen Gesprächsrunden im Rahmen der Show Build Up in verschiedenen Großstädten Brasiliens diskutiert wurde.
Im Bereich der empirischen Kulturforschungen entwickelte sich der Debatte über neue Ansätze in Lehre und Forschung im Museu de Artes e Técnicas Populares von São Paulo durch eine thematische Gewichtung des Interesses auf die Alltagskultur. Die Erforschung der Alltagskultur – der „cultura do dia-a-dia“ – wurde in Projekten, Vorträgen und Publikationen behandelt und verband sich in Pionierweise mit dem Namen der Sozialanthropologin und Musikforscherin Julieta de Andrade, Mitarbeiterin von Rossini Tavares de Lima (1915-1987). Allerdings wurde der Begriff „Estudos Culturais“, den u.a. die Sozialanthropologin Silvia Gasparini für die Volkskunde empfahl, in einer Debatte, die von der Zeitung „O Estado de São Paulo“ 1971 veranstaltet wurde, von ihm ausdrücklich als zu verallgemeinernd abgelehnt, denn der Begriff würde auch Schulbildung, Wissenschaft, Gelehrsamkeit u.a. umfassen.
Die Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf Prozesse, die auf die Überwindung von Denk- und Sichtweisen nach Kategorisierung des Gegenstandes der Betrachtung zielte, impliziert auch die Kritik an einer Auffassung von Kultur, die diese als substantiviert und als etwas Wesenhaftes ansieht. Die Bemühungen, anstatt von Kultur von kulturellen Prozessen zu sprechen, prägten die Überlegungen und Studien in den folgenden Jahren. Wenn auch nicht immer konsequent durchgeführt, wurde unter Kulturwissenschaft in dieser Strenge des Denkens die Wissenschaft kultureller Prozesse verstanden. In diesem Sinn wurde die Zusammenarbeit zwischen Musikethnologie und Ästhetik an der Fakultät für Musik und Kunsterziehung des Musikinstituts von São Paulo zwischen 1971 und 1974 durchgeführt.
Auf internationaler Ebene sollte dieser Ansatz kultur- und wissenschaftswissenschaftlicher Studien in einem Kooperationsprogramm entwickelt werden, das von dem Deutschen Akademischen Austauschdienst ab 1974/75 ermöglicht wurde. Bereits im Januar 1975 wurden Institute Englands besucht und kulturwissenschaftliche Debatten bezogen auf das Musical „O Calcutta“ in London durchgeführt.
Vor allem die Ansätze, die das Visuelle, die Zeichensprache in einem System von Welt- und Menschenauffassungen, das die Menschen konditioniert, betreffen, wurden unter verschiedenen Aspekten in Studien aufgegriffen. Sie prägten u.a. die Initiativen des 1985 gegründeten Instituts für Studien der Musikkultur des portugiesischen Sprachraumes. 1999 wurden schließlich Musik und Visionen zum Thema des internationalen Kongresses, der in der Deutschen Welle von der Akademie für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft in Köln veranstaltet wurde. Es folgte eine Reihe von Kolloquien, die von den Sitzungen zur Kulturwissenschaft unter Mitwirkung des Musikwissenschaftlichen Seminars der Universität Bonn beim Kongress „Musik, Projekte und Perspektiven“ 2002 in Brasilien abgeschlossen wurde. Die Arbeiten wurden von dem Seminar zu Cultural Studies an der Universität Bonn begleitet und mit einem Kolloquium interkultureller Studien in São Paulo 2004 fortgesetzt.
Vorangegangenes
2004. Internationaler Kongress Interkultureller Studien. Akademie für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft/ISMPS, Kultursekretariat des Staates São Paulo. Kulturamt der Stadt São Paulo, Bundesuniversitäten São Paulo, Goiás, Rio Grande do Sul, Rio de Janeiro, Centro Cultural São Paulo, Academia Paulista de Letras, Academia Brasileira de Música, u.a. São Paulo und Rio de Janeiro
2003/02. Cultural Studies, World Music, Musik und Urbanistik. Seminare an der Universität Bonn
2002. Cultural Studies in urbanen Kontexten in Erschließungsregionen. UNICIÊNCIAS, Mato Grosso, Brasilien
2002. Postkolonialismus-Identität-Immigration. Potenzialität der kulturwissenschaftlich orientierten Musikwissenschaft. Internationaler Kongress Musik, Projekte und Perspektiven. Akademie für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft/ISMPS. Außenministerium Brasiliens/Museu Diplomatischer Geschichte. Brasilianische Universitäten, Universitäten Bonn und Köln
2001. Brasil 2001. Musik und Medien in der globalisierten Welt. Akademie für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft/ISMPS. Unter der Schirmherrschaft der Brasilianischen Botschaft
1999. Musik und Visionen. Internationaler Kongress. Deutsche Welle, Akademie für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft/ISMPS, Brasilianische, portugiesische und deutsche Universitäten. Unter der Schirmherrschaft der brasilianischen und portugiesischen Botschaften. 1998. Anthropos ludens. Iconic turn in Kulturforschung und Auffassungen vom Menschen. Internationales Kolloquium. Institut für Studien der Musikkultur des portugiesischen Sprachraumes. Portugiesische Kommissionen für die Entdeckungen. Portugiesische, brasilianische und deutsche Universitäten
1997-2000. Musik in der Begegnung der Kulturen. Cross-Cultural Processes in Musikforschung. Vorlesungsreihe an der Universität Köln
1997. Gründung des Studienzentrums der Akademie für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft/ISMPS in Köln unter der Schirmherrschaft der Brasilianischen Botschaft, Bonn
1996. Kolloquium zu Kultur- und Musikprozessen im Asien. Zur Übergabe von Hongkong und Macau an China. ISMPS. Interuniversitäre Institute von Macau
1994. Musik in Kulturprozessen Amazoniens. Fakultät Domingos Savio, Manaus
1992. Indigene Musikkulturforschung im kulturwissenschaftlichen Ansatz. Projekt zur Erfassung des Wissens über die indigenen Musikkulturen. Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland, Kultur- und Außenministerium Brasiliens, Nationalmusik, FUNAI, Bundesuniversitäten Rio de Janeiro u.a.
1991. Kulturwissenschaftliche Ansätze in der Religionswissenschaft. Christliche Traditionen und Synkretismus. Internationales Symposium. Abteilung für Musikethnologie des Instituts für hymnologische und musikethnologische Studien, Maria Laach
1987. Music in the Life of Man. International Music Council/UNESCO. Regionaltreffen für Lateinamerika und Karibik. São Paulo
1987. Kulturforschung des Alltags in der Musikwissenschaft – Geschichte und Stand. I. Brasilianischer Kongress für Musikwissenschaft. São Paulo
1985. Music in the Life of Man. International Music Council/UNESCO. Regionaltreffen für Lateinamerika und Karibik. Mexico-City
1985. Musik und die Wissenschaften vom Menschen. Kolloquium im Centre Royaumont, Roayumont
1985. Gründung des Instituts für Studien der Musikkultur des portugiesischen Sprachraumes e,V.
1981. „Über Kultur und Kunst“. Thomas Freund. Leitgedanken zur Reihe des Leichlinger Musikforums. Leichlingen
1981. Kirchenmusik und Musiktraditionen in Kulturprozessen in Vergangenheit und Gegenwart. Internationales Symposium Kirchenmusik und Brasilianische Kultur. Kultursekretariat der Regierung São Paulos u.a.
1975. Beginn des Programms sozial- und kulturwissenschaftlich orientierter Forschung in multilateralen Kooperationen. Gefördert vom DAAD
1974. Vorträge zu Ansätzen in der Kulturforschung und Kunsterziehung. Woche der Künste. Fakultät für Musik des Musikinstituts São Paulo
1972. Einführung der Musikethnologie als Hochschulfach. Musikfakultät des Musikinstituts São Paulo
1971. Debatte zu Alltagskulturforschung und Folklore-Begriff. O Estado de São Paulo
1970. Studien und Diskussion zur empirischen Kulturforschung und Alltagskulturforschung. Museu de Artes e Técnicas Populares, São Paulo
1968. Gründung des Zentrums für musikwissenschaftliche Forschungen der Bewegung Nova Difusão, São Paulo
1967. Kunst und Kommunikation. Décio Pignatari (1927-2012) Kulturamt São Paulos und Stadtbibliothek
1965. Theory of Concrete Poetry. Décio Pignatari. Bewegung zur Erneuerung der Kultur- und Musikstudien. São Paulo
Zum Seminar in Köln 2005
Das Seminar zum kulturwissenschaftlichen Ansatz in der Musikwissenschaft fand im Rahmen einer außerplanmäßigen Professur an der Universität Köln statt, die sich mit dem Schwerpunkt auf prozesorientierte Musikkulturforschung im Sinne von Musik in der Analyse von Kulturprozessen befasst, und wurde von der Akademie für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft initiiert und getragen.
In diesem Seminar sollte das Konzept einer kulturwissenschaftlich orientierten Musikforschung nach Ziel und Zweck, Bedeutung, Beweggründen, geschichtlichem Werdegang, rezenten Tendenzen, Potenzialitäten, Kontroversen und Problemen erörtert, reflektiert und diskutiert wird. Es wurde vor dem Hintergrund der vorangegangenen Arbeiten in Kultur- und Wissenschaftswissenschaft im Anschluss an Seminare der Universität Bonn sowie dem internationalen Kolloquium Interkultureller Studien durchgeführt.
Bei diesem Seminar sollten sich die Studierenden von der Warte und Erfahrung der vorangegangenen Debatten aus mit der Vielheit von theoretischen Ansätzen zur Neuorientierungen der Kulturwissenschaft hinsichtlich der Musik auseinandersetzen und Kenntnisse erhalten von den Initiativen, Institutionen, Publikationen, Forschungsprojekten, akademischen Gruppierungen, Lehrveranstaltungen, Kongressen und Tagungen. Durch das Studium der Literatur sollten die Studierenden einen Überblick über den Stand der Forschung und die Wendungen im kulturtheoretischen Denken gewinnen, das wegen seiner grundsätzlich interdisziplinären Ausrichtung aus Grenzüberschreitungen und Interaktionen entsteht und selbst zu Innovationen führt. Sie sollten in die Lage versetzt werden, die Auswirkungen dieser Ansätze in der Musikwissenschaft hinsichtlich Terminologie, Forschungsinteressen, Untersuchungsfeldern, Verfahrensweisen, Ausrichtungen des Denkens und der Argumentationen in musikwissenschaftlichen Texten, Vorträgen und Lehrveranstaltungen zu erkennen, zu verorten und somit sie nach den ihnen zugrundeliegenden Theoriekonzepten reflektiert zu lesen, herauszuhören und zu analysieren.
Dadurch sollten die Studierenden die Möglichkeit erhalten, zu erkennen, was beim Studium in Wort und Schrift Ergebnis von Rezeptiertem, von flüchtig Gehörtem und Gelesenem darstellt und durch jargonartige Verwendung des Vokabulars und in diskursivem Habitus zum Ausdruck kommt. Dadurch sollten sie in die Lage versetzt werden, eines der Hauptprobleme zu erahnen, die aus den Impulsen der kulturwissenschaftlichen Ansätze entstehen: deren Instrumentalisierung im Dienst machtpolitischer Strategien und Bildung von Netzwerken und Cliquen in der akademischen Gemeinschaft, wie vor allem im musikethnologischen Umfeld festzustellen ist.
Einführende Gespräche nach Texte des Seminarleiters
------------. "Musikwissenschaftliche Forschung, Kulturgeschichte und Didaktik identifikatorischer Formungsprozesse". Ibidem 40-49 ------------. "Postkoloniale Kulturstudien und Musikforschung. Fallbeispiel deutscher Kolonisation in Brasilien". Ibidem 57-62
------------. "Musikwissenschaftliche und kulturgeschichtliche Positionierungen und Neuorientierungen. Zur Geschichte der Akademie Brasil-Europa". Ibidem 103-106 ------------. "Musik bei der Umformung von Mentalitäten nach den Normen des Anti-Typischen. Resignifikation tradierter Kulturpraktikenb als Querstrategie der Veränderung". Ibidem 261-266
------------. "Musicologia, Cultural Studies e Cultural Analysis. Novos problemas de eurocentrismo na era da globalização". Uniciências UNIC 8 (2004), 11-22
------------. "Musicologia, Cultural Studies e Cultural Analysis. Novos problemas de eurocentrismo na era da globalização". Uniciências. Cuiabá, UNIC, 8 (2004), 11-22.
Bachmann-Medick, D. Cultural Turns: Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt 2006 (rowohlts enzyklopädie, hg. Von B. König)
Zu "Interprtative Turn", op.cit. 58 ss.
Zu "Performative Turn", op.cit. 104 ss.
Zu "Reflexive Turn/Literary Turn, op.cit. 144 ss
Zu "Translational Turn", op.cit. 238 ss.
Zu "Spatial Turn", op.cit. 284 ss.
Zu "Iconic Turn", op.cit. 329 ss.
Besprochene Literatur
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Herausragende Seminararbeiten
Paulo Eugênio de Freitas Peres. Contemplating Music. Zu Joseph Kermans Reflexionen vom Criticism zur New Musicology
Freia Kollar. Cultural Musicology. Zu Martin Claytons Metatheorie und die Frage nach dem Vergleich in der Musikwissenschaft
Evelyn Reiseder. Artikel über Simon Frith
Lisa Stegner. Auf Spurensuche mit Robert Walser…
MArc Wagenbach. Music as Social Text. Aspekte zu John Shepherds Denken