AKADEMIE FÜR KULTUR- UND WISSENSCHAFTSWISSENSCHAFT

INSTITUT FÜR STUDIEN DER MUSIKKULTUR DES PORTUGIESISCHEN SPRACHRAUMES

ISMPS

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ein dokumentationsprojekt

KLASSIK UND ROMANTIK

Prof. Dr. Antonio Alexandre Bispo


Universität Bonn
Vorlesung – WS 2002/03


 

2003-1833: Davidsbündler Schumann’s gegen die Spießer („Philister“)

In memoriam Barry S. Brook (1918-1997)
150. Geburtstag Henrique Oswald (1852-1931)

Im Anschluss an die Sitzung „Klassik in kolonialisierten Welten“ des Internationalen Kongresses „Musik, Projekt und Perspektiven“, Museum für Diplomatische Geschichte, Außenministerium Brasiliens, Rio de Janeiro 2002


Klassik und Romantik gehören zum Kernbereich der Geschichte der Musik Europas und der von Europa geprägten Welt. Die Namen ihrer großen Musikergestalten und deren Werke sind weltweit bekannt, bestimmen das Konzertrepertoire, werden in unzähligen Aufnahmen und vielen Publikationen verbreitet. Die Betrachtung der Musikgeschichte, auch in außereuropäischen Ländern kreist um Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann, Liszt, Mendelssohn, Wagner, Brahms u..a.  und beschränkt sich sogar zuweilen auf sie. Ihre Werke werden einstudiert und aufgeführt. Sie sind grundlegender Bestandteil des privaten Musikunterrichts, des Unterrichts an Musikschulen, an Musikhochschulen und der Musikbildung in den Schulen. Ihre Namen gehören zur Allgemeinbildung. Die Trias Haydn, Mozart und Beethoven steht überall im Mittelpunkt nicht nur von Lehrplänen und von Musikgeschichtsbüchern, sondern auch von populärwissenschaftlicher Literatur zur Musik. Leben und Werke dieser und anderer herausragender Komponisten des 18. und 19. Jahrhunderts, denen unzählige Publikationen gewidmet sind, bestimmen seit jeher Denken und Sichtweisen zur Geschichte der Musik, Perspektiven, Gewichtungen und Wertungen, den Kanon von Programmgestaltungen und Lehrplänen, weltweit die Lehre der Musikgeschichte und musikwissenschaftliche Studien auf Hochschulebene und an Universitäten.

Diese zentrale, kanonische Stellung von herausgehobener Gestalten und Werken der Klassik und Romantik, die ihnen zeitüberdauernde, normensetzende Wertqualitäten verleiht, wird aber seit Jahrzehnten auch hinterfragt und kritisch betrachtet von denjenigen, die Erneuerungen und Öffnungen unter verschiedenen Aspekten anstreben. Sie wird als Stütze von Denk- und Sichtweisen der Musikgeschichte angesehen, die sich auf Europa, insbesondere auf Zentraleuropa und auf den deutschsprachigen Raum, zentriert, perspektivisch die Betrachtung der Musik anderer Weltregionen sieht, die sie bewertet und deren Musikentwicklung sie europäisiert und von ihren eigentlichen Wurzeln entfremdet und dekontextualisiert.

Sie wird kritisiert nicht nur als Inbegriff des Eurozentrismus, sondern auch als im Dienste eines Kolonialismus auf musikästhetischer Ebene stehend, was Mentalitäten prägt und Wahrnehmungen der Realität trübt. Sie erscheint als Ausdruck fortbestehender kolonialer Zustände und Sichtweisen auch in nach-kolonialer Zeit.

Der Kanon wird dafür kritisiert, dass er der wertenden Unterscheidung von „klassischer Musik“ gegenüber Volks -und Popularmusik als Kategorisierung einer Hochkunst gegenüber einer „niederer“ zu wertenden Sphäre mit all ihren Implikationen sozialer und politischer Art dient. Seine öffentliche oder private Förderung bedeutet somit auch eine Verfestigung von Strukturen, die Klassen, Rassen, soziale und ökonomische Gesellschaftsgruppen voneinander trennen. Die klassische Musik erscheint aus dieser Warte mit Auffassungen von Klassen zusammenhängend und Konventionen, Normen und Zustände etablierend oder stützend, die es zu überwinden gilt. 

Auch eine Musikwissenschaft, die sich musikhistorisch maßgeblich auf diesen Kanon ausrichtet oder in ihrem Forschungsinteressen sich gar auf ihn reduziert, erscheint unter diesem Blickwinkel als allzu konservativ, normkonform, nicht nur konventionell, sondern auch als rückwärtsgewandt und gestrig, gefangen in engen und engstirnigen Denk- und Sichtweisen und in ihrer Wirkung einengend. Sie erscheint unter diesem Aspekt für den außereuropäischen Raum unangemessen.

Dennoch ist eine aufmerksame Beschäftigung mit dem Leben und Schaffen der großen Gestalten der Klassik und Romantik, mit dem Kontext und den Entwicklungen, in die sie sich einfügten, mit ihren Voraussetzungen und Nachwirkungen sowie mit der entsprechenden Fachliteratur unabdingbar und stets aktuell.


Die Auseinandersetzung mit der Klassik und Romantik in der Musikgeschichte ist eng mit der Geschichte des Faches und ihrer weltweiten Ausstrahlung hinsichtlich Perspektiven, thematischen Gewichtungen und Perspektiven, mit den Positionen der Musikhistoriker, ihren Ansätzen und Denkweisen verbunden, die wiederum in einem bestimmen kulturhistorischen, philosophischen, weltanschaulichen und politischen Zusammenhang stehen. Die Beschäftigung mit Klassik und Romantik impliziert auch unter dem Aspekt der Musik eine theoretische Auseinandersetzung mit Geschichte und ihrer Methodologie. Die Studien müssen aber theoretisch reflektiert geführt werden im Bewusstsein der geschichts- und kulturwissenschaftlichen, philosophischen, gar anthropologischen Problematik, die dem Gegenstand der Betrachtung eigen ist. Sie betrifft primär die Methodologie der Geschichtswissenschaft, Fragen der Periodisierungen, der Einteilung von Phasen, dem Denken in Zeitaltern und Epochen sowie von Entwicklungen. Sie muss sich mit einer etablierten Denk- und Sichtweise auseinandersetzen, die durch ein Vor und Danach geprägt ist, die von einer Wiener Klassik ausgeht, die zwischen ca. 1770 und 1839 angesiedelt ist und von einer Vorklassik seit den 30er Jahren des 18. Jahrhunderts vorbereitet und von einer Nach- oder Spätklassik gefolgt wurde, wobei auch im 20. Jahrhundert von einer Neoklassik geprochen wird. Ähnlich ist das musikgeschichtliche Denken von der Auffassung von Früh-, Hoch- und Spätromantik geprägt.

Als Kennzeichnung von aufeinanderfolgenden Epochen etwa in Literatur, Bildender Kunst, Architektur und Musik stellt sowohl die Gegenüberstellung von Klassik und Romantik als auch diese Differenzierungen des Früh und Spät, des Vorhergehenden und Nachfolgenden, einen Rahmen dar, der Referenzen und Orientierungen bieten mag, der aber nicht als abgegrenzte, in sich abgeschlossene Zeit verstanden werden soll. Stereotypische Denk- und Sichtweisen stellen ein stets vorhandenes Risiko dar, das vermieden werden sollte. Die Trennlinien sind stets durchlässig, da Denker, Künstler, Komponisten und Werke sich schwerlich einordnen und eingrenzen lassen. Vor-, Hoch- und Nachklassik, Früh- und Spätromantik u.a. Einteilungen können nur als behilfliche Versuche verstanden werden, sie bleiben aber unpräzise und gehen ineinander über. Klassik und Romantik lassen sich nicht im Sinne scharf abgegrenzter Räumen verstehen, sondern verlangen eine Betrachtungsweise, die sich auf Fließendes, Bewegtes, Sich-Änderndes fokussiert. Das Denken richtet sich auf Transpassagen vermeintlicher Trennungen von Phasen im Zeitverlauf, aber auch vertikal auf Grenzüberschreitungen zwischen angenommenden Sphären der Kunst- und Volksmusik, von Oben und Unten unter verschiedenen Aspekten.

Die Auseinandersetzung mit dieser gleichsam räumlichen Einteilungen des Zeitverlaufs in Kompartimente ist auch Voraussetzung für eine Öffnung von Perspektiven, für eine Überwindung von Eingrenzungen des Betrachtungsfeldes auf Zentraleuropa und auf Europa. Dies ist erforderlich für eine gerechte Begegnung mit außereuropäischen Musikentwicklungen, ihren Musikergestalten und Werken, die oft mit dem Makel des Nachahmens, des Epigonalen und Eklektiszistischen verhaft sind und als von sekundärer Bedeutung entwertet werden. Die Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf grenzüberschreitende Prozessen in weltweiten Zusammenhängen stellt ein Erfordernis für eine Musikwissenschaft dar, die sich den Anforderungen der zunehmenden Globalisierung stellt. Diese Vorgehensweise setzt eine Haltung des Betrachters voraus, der bereit ist, neue Wege zu wagen und sich trotz der Einengungen etablierter Strukturen, die in bestimmten Lehr- und Forschungsbereichen herrschen, neue Perspektiven anzueignen. Eine wissenschaftliche Beschäftigung mit einem Themenkomplex, der vornehmlich das 19. Jahrhundert betrifft, das Jahrhundert der Geschichte, aber auch der Wissenschaften, verlangt grundlegende  Überlegungen und Auseinanderssetzungen mit Auffassungen und Vorstellungen, mit dem Denken und den Anliegen der damaligen Zeit. Rückblicke können in diesem Sinn zu einer reflektierten Standortbestimmung der Forschung beitragen, neue Perspektiven anregen, neu Wege für die Forschung bereiten, neue Akzente und Prioritäten setzen. Ein aufmerksames Studium kann – zuweilen überraschend – Zukunftweisendes aufdecken und Potenzialitäten für ein aktualisierender Weiterdenken in der Gegenwart erkennen lassen.


Die Notwendigkeit einer aufmerksamen Auseinandersetzung mit der Klassik und Romantik in der Musikwissenschaft stellt sich in besonderer Weisen für Institutionen, die sich in Städten befinden, die von den großen Gestalten der Klassik und Romantik geprägt sind. Dies gilt u.a. für Salzburg, die Mozart-Stadt, aber auch für die Beethovenstadt Bonn, in dem das Beethoven-Haus und das Grab Schumanns Besucher aus aller Welt anziehen, die ein Zentrum nicht nur der Beethoven-, sondern auch der Schumann-Forschung ist. Schumann ist auch derjenige, der sich mit den Davidsbündlern dem Spießertum in der Musik „und sonstigem“ im Dezember 1833 in der Zeitschrift Der Komet entgegenstellte, den kleinkarierten und engstirnigen Personen, unbewegt in der gewohnten Lebensumgebung eingeschlossen sind, was Schumann in der von ihm herausgegebenen Neuen Zeitschrift für Musik ab 1834 fortsetzte. Dieses Anliegen kann Impulse in mehrdeutigem Sinn für eine Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex Klassik und Romantik in der Musikwissenschaft an der von Schumann geprägten Universitätsstadt Bonn liefern.




Die Auseinandersetzung mit dem 19. Jahrhundert aus kulturwissenschaftlichen Ansätzen einer auf Prozesse ausgerichteten Forschung setzte im außereuropäischen Bereich der Mitte der 1960er Jahren in São Paulo ein und wurde im Rahmen des 1968 gegründeten Zentrums für musikwissenschaftliche Studien der Gesellschaft Nova Difusão weitergeführt. Die Feststellung, dass Musikentwicklungen, Gestalten und Werke des 19. Jahrhunderts durch anachronistische Sichtweisen geprägt waren, die durch ideologische und politische Positionierungen der 1920er Jahren in Brasilien entwertet worden waren, schärfte das Bewusstsein für die Notwendigkeiten neuer Sichtweisen in der Historiographie. Die kulturwissenschaftlich ausgerichtete Erforschung des 19. Jahrhunderts führte in der Praxis zur Entdeckung und Aufführung von Werken aus der Sicht kulturwissenschaftlich orientierter Aufführungspraxis an der Fakultät für Musik und Musikerziehung des Musikinstituts São Paulo von 1971 bis 1974. International wurde die Problematik diskutiert im Rahmen der Kasseler Musiktage 1976 unter Leitung von Carl Dahlhaus sowie 1979 gesamtamerikanisch im Rahmen der Zeitschrift Latin America Revue.

Die Bedeutung der Klassik und des Klassizismus in einer kulturwissenschaftlich orientierten Musikforschung auch für Studien außereuropäischer, von Europa geprägter Ländern wurde 1983 im Rahmen des Jahres großer Komponisten und 1985 anlässlich des Europäischen Jahres der Musik hervorgehoben. Zum Mozartjahr 1991 wurde erneut auf die Rezeption vorklassischer, klassischer und spätklassischer Werke in weltweiten Kontexten hingewiesen und die Notwendigkeit einer Erneuerung von Betrachtungsweisen im Sinne einer prozessorientierten Musikkulturforschung hervorgehoben. 2002 wurde bei der Abschlusssitzung des Internationalen Kongresses Musik, Projekte und Perspektiven im Museum diplomatischer Geschichte des Außenministeriums Brasiliens in Rio de Janeiro dieser Ansatz zu einer adäquaten Betrachtung der Klassik in der Geschichte diplomatischer Beziehungen hervorgehoben.

Nur eine Ausrichtung des Blicks auf Prozesse – und nicht auf Kategorisierungen des Objekts der Betrachtung – kann dabei adäquat sein. Die Überwindung von klassifizierenden Abgrenzungen in Sichtweisen und im Denken ist eine Forderung, die umfassend ist. Sie betriff Facheinteilungen, Zeiten und Räume. Klassik und Romantik erfordert eine inter- oder gar metadisziplinäre Annäherung, eine Betrachtungsweise, die geographische und nationale Grenzen überschreitet, die Antike, andere Epochen und Gegenwart in Beziehung setzt. Sie verlangt Überlegungen über das, was als klassisch aufgefasst wird, und somit über Werte und Wertmaßstäbe wie Ausgewogenheit und Harmonie von Gegensätzen, die auch Klassischem seinen hohen Rang verleiht. Sie verlangt eine Auseinandersetzung mit den Bestrebungen wie dem Sehnen nach Transzendenz, das das Romantische ausmacht. Klassik und Romantik betreffen Welt- und Menschensicht, sie sollen in anthropologischer Perspektive betrachtet werden. Die Musik bietet dabei einen privilegierten Zugang.



Zur Vorlesung

Entsprechend dem Ansatz, der die Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf Prozesse in globalen Zusammenhängen als Erfordernis der von Globalisierung geprägten Gegenwart verlangt, wurde in der Vorlesung länder- und kontinenteübergreifend vorgegangen. Diesen Anregungen folgend wurde in der Vorlesung der Versuch unternommen, historische und anthropologische Betrachtungsweisen miteinander in Beziehung zu setzen. Dabei wurden Auffassungen anthropologischer Natur des philosophischen Denkens des 19. Jahrhunderts und der damals in ihren Anfängen stehenden Volks- und Völkerkunde berücksichtigt. Auch wurde die soziale Konstituiertheit musikkultureller Verhältnisse als Brücke zu einer anthropologisch konzipierten Betrachtung von Handlungen berücksichtigt. Hierfür wurden Gründungen und Entwicklungen von Institutionen im 19. Jahrhundert – Verbände, Vereine, Korporationen, Konservatorien – in den verschiedenen Ländern besprochen und somit der Weg zu einer Betrachtungsweise geebnet, die eher den Sozialwissenschaften und der Wirtschaftsgeschichte eigen sind.

Komponisten, Werke, Musikpraktiken, Musikleben und Musikerziehung des gesamten 19. Jahrhunderts wurden als eklektizistische Nachahmungen, gar Plagiate kritisiert und entwertet. Dieses Problem, das im Rahmen des in den 1970er Jahren durchgefühten Projekts zur Musikgeschichte Lateinamerikas im 19. Jahrhundert diskutiert wurde, wurde bei der Vorlesung erneut thematisiert und aktualisierend besprochen. Gerade eine adäquate musikwissenschafliche Betrachtung dieser entwerteten Musik des 19. Jahrhunderts in Randgebieten Europas oder in außereuropäischen Ländern trägt das Potential in sich, zur Erneuerung musikhistorischer Perspektiven beizutragen, die den Erfordernissen einer globalisierten Welt genügt. Dementsprechend wurde dieses Anliegen bei den Sitzungen zum 19. Jahrhundert des Projekts Music in the Life of Man/World History of Music des Internationalen Musikrates/UNESCO bereits 1987 hervorgehoben.

Diesen Anregungen folgend wurde in der Vorlesung der Versuch unternommen, historische und anthropologische Betrachtungsweisen miteinander in Beziehung zu setzen. Dabei wurden Auffassungen anthropologischer Natur des philosophischen Denkens des 19. Jahrhunderts und der damals in ihren Anfängen stehenden Volks- und Völkerkunde berücksichtigt. Auch wurde die soziale Konstituiertheit musikkultureller Verhältnisse als Brücke zu einer anthropologisch konzipierten Betrachtung von Handlungen berücksichtigt. Hierfür wurden Gründungen und Entwicklungen von Institutionen im 19. Jahrhundert - Verbände, Vereine, Korporationen, Konservatorien - in den verschiedenen Ländern besprochen und somit der Weg zu einer Betrachtungsweise geebnet, die eher den Sozialwissenschaften und der Wirtschaftsgeschichte eigen sind.

Die Vorlesung verstand sich dementsprechend nicht im konventionellen musikhistoriographischen Sinn als eine erzählende Darstellung von Namen, Lebensgeschichten und Werken herausragender Musikerpersönlichkeiten, die in ihrem jeweiligen Kontext und epochal betrachtet werden, sondern als Versuch, in den zeitlich verlaufenden Prozessen zugrundeliegendes Systematisches – bewusste oder unbewusste Leitideen und -vorstellungen, Ordnungs- und Gestaltungsprinzipien – aufzudecken, die  Gesetzmäßigkeiten, Kontinuitäten oder Diskontinuitäten zu erklären helfen. Dabei sollten typologische Prädispositionen oder Charaktereigenschaften von Musikschaffenden und -ausführenden, Interpreten, Dirigenten und Lehrern eruiert werden.

Die Auseinandersetzung mit dem Verhältnis Narrativität/Struktur in seinen komplexen Interaktionen – sowohl im Gegenstand der Betrachtung als auch in der Betrachtung selbst – erlaubt die mit Klassik und Romantik bezeichneten Epochen oder Stilgefüge in ihren statischen Kategorisierungen zu durchbrechen und Abgrenzungen als durchlässig zu erkennen. Dabei verliert eine Sichtweise an Berechtigung, die von einem Vor und Nach mit all seinen wertenden Implikationen bei der Betrachtung von Entwicklungen und Wandlungen ausgeht, von einer Vor-, Hoch- und Nachklassik, von einer Früh-, Hoch- und Spätromantik.

Nur aus diesem Versuch, Betrachtungsweisen, die dazu tendieren, statische und geschlossene Epochen bzw. Sphären anzunehmen, zu überwinden zugunsten einer Sicht, die auf Prozesshaftes setzt, kann auch in nicht entwertender Weise eine Musikproduktion adäquat bewertet werden, die sonst als Ergebnis von Rezeptionen und Nachahmungen erscheint. Dadurch öffnen sich Perspektiven zur Aufwertung des Musikschaffens von Komponisten aus außereuropäischen Ländern, deren Werke in der Musikliteratur disqualifiziert werden, da sie keine Anspielung auf Volksmusiktraditionen im Sinne nationaler Musikästhetik aufweisen. Ein herausragendes Beispiel stellt der Komponist Henrique Oswald dar, an dessen Geburt vor 150 Jahren gedacht wurde.

















Vorlesung von A.A.Bispo an der Universität Bonn 2002
Klinik in der Schumann lebte. Bonn.Foto A.A.Bispo
Geburtshaus von Beethoven in Bonn. Foto A.A.Bispo
Beethovens Geburtshaus Bonn. Foto A.A.Bispo
Der Rose Pilgerfahrt von R. Schumann in S. Paulo 1940. Archiv ISMPS. Copyright